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Der Heldentod in der epischen Dichtung und im LARP

in Verlautbarungen 01.01.2015 19:44
von Thyrin MabBran • Komtur | 834 Beiträge

Der eine oder die andere wird den Artikel schon kennen, sowie ein paar der noch folgenden . Trotzdem will ich ihn hier der Vollständigkeit halber noch mal wiedergeben.


In der klassischen Heldendichtung stirbt der Held zwar meist erst zum Schluss, sein Ende ist aber bereits vorgezeichnet. Nehmen wir als erstes Beispiel Beowulf. Der Gaute wird König der Dänen, der Weg dorthin ist aber gepflastert mit Gefahren. Er muss Grendel und seine Mutter erschlagen, Krieg gegen Sachsen und Friesen führen, bis er den Thron von Hrodgar erbt.Ein Held also, dem nur ein glorreiches Ende bevor stehen kann. Er stirbt im Kampf gegen einen Drachen, um sein Volk vor der Bestie zu schützen.
Beispiel Zwei: Hagene von Tronege (Hagen von Tronje). Treu steht er zum Königreich der Burgunder, handelt zu deren Wohl, wenn auch nicht mit rechtschaffenen Mitteln. Er tötet Siegfried, den er als Gefahr für das Land und die drei Könige Gunther, Gernot und Giselher erkannt hat, beraubt Kriemhild des Nibelungenschatzes, um dadurch ihre Rache zu verhindern, steht aber auch an Gunthers Seite, als das Ende der Nibelungen gekommen ist. Schließlich wird er von Kriemhild mit Balmung, Siegfrieds Schwert erschlagen.
Beispiel Drei: Arthur ap Uther (König Artus). Arthur läutete eine Ära des Friedens in Britannien ein, eine Epoche der Ritterlichkeit, die am Ende ins Gegenteil verkehrt wird. Aus der ritterlichen Minne wird körperliche Liebe zwischen Lancelot und Gwynwyfra, sein Sohn Metraut lehnt sich gegen ihn auf. Arthur muss ihn am Ende in einer blutigen Schlacht niederwerfen und töten, wird dabei aber selbst tötlich verwundet. Seine Rettung liegt in der Entrückung, aus der er einst wiederkehren wird.
Ausnahmen gibt es freilich auch. Siegfried tötet den Drachen, besiegt Alberich und die Söhne Nibelungs. Befreiht Brunhild aus der Waberlohe, besiegt die Sachsenkönige und gewinnt Brunhilde für Gunther. Weil er aber zu viel Einfluss am Burgunderhof hat, zudem mit seinen Taten prahlt, fällt er eine Verschwörung zum Opfer und stirbt –aus dem Hinterhalt- durch den Speer eines anderen Helden. Untypisch, kein Heldentod in dem Sinne, trotzdem wird Siegfried als Held betrachtet. Zwar kann Siegfried auf Grund seines Verhaltens als egoistischer Held gesehen werden, was dem Questziel und den Begrifenf der „triuwe“ und „demuete“ widerstrebt, doch –so makaber das auch klingen mag- ausgerechnet Hagen wiegt das wieder auf, gerade durch seine Taten, die er aus „triuwe“ zu seinen Lehnsherren begeht.
Die drei Erstgenannten jedoch haben alle eines gemeinsam: sie alle sterben für ein höheres Ziel, für ihr Volk oder für ihren Lehnsherren, selbst Hagen von Tronje fällt in diese Kategorie. Sie alle kennen den Tod und seine Schrecken, nehmen ihn aber bewusst an, stellen sich übermächtigen Gegnern, von denen sie nicht sicher sein können, ob sie sie bezwingen oder den Tod finden würden. Gleiches gilt für Achilleus, der in dem Bewusstsein in den Krieg gegen Ilios zieht, dass er den Kampf nicht überleben wird. Trotzdem stellt er sich dem Kampf, besiegt gefährliche Gegner und stirbt am Ende den Heldentod in der Schlacht.
Was haben nun diese Helden und ihr jeweiliges Ende mit LARP zu tun? Naja… auch im LARP haben wir es immer wieder mit „Helden“ im weitesten Sinne zu tun. Selbst wenn man „nur“ einen Bauer spielt oder einen Herumtreiber, sind das trotz allem Gestalten, die wir nach unseren Vorstellungen entworfen haben und mit denen wir in gewissen Hinsicht Pläne haben. Der Begriff „Held“ kann also im Folgenden auch synonym zu Charakter benutzt werden.


Versuchen wir den Gedanken fortzuspinnen. Was macht denn nun einen Helden aus? Er nimmt sein Schicksal an. Aber dieses Schicksal ist immer groß. Jeder Held endet auf heroische oder tragische Weise. Das Ende wird also schon zu Beginn der Heldenkarriere festgeschrieben. Man spricht in diesem Fall von der „Motivation von hinten“. Wie sieht es aber nun im LARP aus? Da fehlt diese Motivation. Wir wissen im Normalfall nicht, wie sich unser Charakter entwickeln soll oder wird. Er entwickelt sich einfach. Trotzdem treibt uns immer eines an: Wenn der Charakter stirbt, soll das in einem passenden Rahmen erfolgen oder doch im Dienst einer bestimmten Sache. Die Motivation dabei ist die Gleiche, die bereits Achilleus angetrieben hat: Der Nachruhm. Die Gewissheit, dass der Charakter zumindest in der eigenen Gruppe im Gespräch und damit in der Erinnerung bleibt.
Macht aber alleine das Ende einen Helden aus? Nein, sicher nicht. Da gehört mehr dazu:
1.Heldenhaftes Handeln
Was zeichnet denn nun einen Helden aus, außer seinem heldenhaften Tod? Das heldenhafte Handeln. Was aber genau ist das? Nun, darüber kann man sicherlich streiten. Die Wenigstens von uns spielen einen Helden in dem Sinne. Es ist nicht unbedingt für unsere Charaktere notwendig, einer Jungfrau aus der Patsche zu helfen oder einen Drachen zu töten. Ich denke, dass es in dem Fall heldenhaft ist, sich einfach gemäß den „Tugenden“ seines Charakters zu verhalten und von Zeit zu Zeit sich eben in eine Situation zu begeben, die „gefährlich“ nach den Maßstäben des Charakters ist.
Als Beispiel will ich hier Hilarius auf dem Januar-Con aufführen. Eigentlich Heiler und Alchemist, hat er sich doch Thyrins Schwert genommen und die Orks angegriffen. Warum? Weil es ihm in diesem Moment richtig erschien. Weil er die schützen wollte, die in diesem Moment Schutz benötigt haben. Man könnte jetzt sagen: Dummheit! Sicherlich, weise war es nicht. Aber es war heldenhaft. Der Charakter wuchs in diesem Moment über sich hinaus.
Wie aber sieht es zum Beispiel mit „edlen“ Charakteren aus? Nehmen wir einen Ritter. Gemäß seinem Eid oder was auch immer, wäre er verpflichtet, denen beizustehen, die seine Hilfe benötigen. Wenn er jemandem sein Wort gegeben hat, sollte er zu diesem stehen, auch wenn es dafür für ihn selbst gefährlich werden könnte. Wenn sich also dieser Ritter in höchster Not einer Horde Orks in den Weg stellt, um seinen Gefährten den Rückzug zu decken, so mag der eine oder andere sagen: Dummheit! Er weiß doch, dass die Orks in der Überzahl sind. Meine Meinung: konzequentes Charakterspiel. Auf dieses Beispiel kommen wir nachher noch einmal zurück.
Wie aber fällt dann die Definition für einen Helden aus, der keiner ist? Ich denke hier an Magier, Gelehrte, Heiler, Händler, Kräutersammler, usw. Im Grunde ist es bereits heldenhaft, wenn sich diese Personen trotz der Gefahr in den Wald hinein wagen, einen magischen Raum betreten oder direkt hinter der Front Verwundete versorgen. Hier kann man wieder eine Verbindung zur klassischen Heldenepik ziehen. Es werden jene zu Helden, welche die ausgetretenen Pfade verlassen. Was bedeutet das für uns? Wir erinnern uns an meinen Aufsatz über die Queste. Im Grunde ist es die Motivation, in die Fremde hinaus zu ziehen, seine eigene Verwirklichung zu finden. Auch hier wieder mein Lieblingsbeispiel Percival. Der tumpe Tor, wie er zu Beginn genannt wird, verlässt seinen ausgetreten Pfad und kommt in eine weite, offene Welt. Er beweist schon Mut, als er den Wald und das Haus seiner Mutter verlässt. Mut aber –und das ist für mich ausschlaggebend- ist die Antriebsfeder des Helden. Der Mut, etwas an seinem Leben zu ändern, auf Wanderschaft zu gehen und neue Dinge zu lernen. Wenn also ein Charakter unterwegs ist, selbst wenn er zusammen mit einer Gruppe reist, hat er immer etwas hinter sich zurück gelassen. Selbst der Knappe im Gefolge seines Ritters oder seines Lehnsherrn verlässt den alten Pfad. Zwar hat er keine große Wahl, aber er kommt in neue Gefilde und das Leben als Knappe erfordert auch ein gewisses Maß an Mut.
Wir haben jetzt also grob umrissen, was Heldenmut ausmacht, was Heldentum ausmacht. Kommen wir nun zu dem zurück, was uns am Anfang beschäftigt hat: der Tod.

2. Der Tod
Irgendwann erwischt er jeden von uns: der Tod. Im reellen Leben können wir nicht entscheiden, wann und wie das der Fall ist. Im LARP dagegen… haben wir zumindest Einfluss darauf. Selten wissen wir, wann unsere Charaktere sterben werden, das wäre auch etwas langweilig, weil man dann ja die gesamte Entwicklung bis in kleinste Detail geplant haben müsste. Etwas, das keiner von uns will, schon alleine des Spielspaßes wegen.
Welche Möglichkeiten haben wir also, wenn es um den Tod unserer Charaktere geht?
Wenn uns ein Charakter nicht mehr gefällt und wir ihn deswegen endgültig ins Jenseits schicken wollen, so können wir den passenden Rahmen dafür sicherlich schaffen, auch in Rücksprache mit einer SL. Dann aber wird der Tod zu einem festen Moment, zu etwas, das von seiner Dramatik verlieren kann (Das Gegenteil haben wir ja mit dem Tod von Laaros bewießen).
Bleibt noch der zufällige Tod. Hier zeichnen sich für mich zwei Varianten ab. Zum einen wirklich der zufällige Tod, zum anderen der bewusste Tod, der sich aber aus der Spielsituation ergibt. Was ist damit gemeint? Beim Ersteren erleidet der Spieler so schwere Verletzungen oder etwas Vergleichbares, dass der Charakter so nicht mehr spielbar erscheint oder der Tod einfach nur die logische Konsequenz auf Grund des Spieles ist. Variante Zwei geht da etwas weiter. Der Spieler weiß, dass die Situation nur mit seinem Tod enden kann. Evtl. ist er schwer verletzt oder er ist der Meinung, dass genau jetzt der richtige Moment ist, seinen Charakter sterben zu lassen. Hier haben wir unseren Ritter wieder. Schwerverwundet greift Ritter Helmbrecht zum Schwert, rafft sich ein letztes Mal auf, um sich dem Feind entgegen zu werfen. Er stirbt, von unzähligen Klingen getroffen, einen ruhmreichen Tod.
Genau das aber wäre der Heldentod. Um ein anderes Beispiel bringend, auf einem Heiler beruhend: Der Heiler hat sich den ganzen Tag auf dem Schlachtfeld abgerackert, Jetzt ist die Schlachtreihe zerbrochen, alles rennt und flüchtet. Der Heiler weiß, dass er dem Feind nicht standhalten kann. Trotzdem bleibt er bei einem Sterbendem, um dessen Leid zu mindern. Vielleicht greift er auch nach dessen Waffe, um ihn zu verteidigen und wird dann vom Feind niedergemacht. Der Spieler hat hier also die Möglichkeit, zu entscheiden, ob er flüchten und damit das Leben seines Charakter retten oder ob er bleiben und vielleicht sterben will.
Man könnte freilich noch weitere Beispiele dieser Art bringen. Das Ergebnis bleibt das Gleiche: Der Spieler sollte die Wahl haben, wie sein Charakter stirbt. Das Ende sollte angemessen sein.

3. Powergaming?
Freilich könnte man nun argumentieren, dass diese Art des Spiels, also es dem Charakter selbst zu überlassen, wann er sterben wird und wie, zu Powergaming führen würde. Jeder könne nun mit einem Schwert in der Hand in die Masse der Orks rennen und diese niedermachen, da er ja selbst entscheidet, wann sein Charakter drauf geht. Aber genau hier liegt der feine Unterschied. Wenn es im Charakterkonzept schon festgeschrieben ist, dass sich der Charakter notfalls auch einer Übermacht stellt, dann sollte das respektiert werden. Er wird das nicht immer machen und ein guter Spieler wird einen solchen Kampf nicht unversehrt überstehen. Und damit meine ich nicht irgendwelche Ehrenwunden wie Schnittwunden an den Oberarmen, sondern wirklich ordentliche Treffer. Ein Heiler wird das auch nicht jeden Tag machen, vielmehr wird es bei ihm immer eine besondere Situation sein.
Jetzt ist es freilich die Aufgabe der SL, zu entscheiden, was man aus dieser Situation macht. Wenn der Spieler immer wieder in eine Übermacht hinein rennt, Treffer ignorierend, dann hat freilich auch die SL das Recht, dem Einhalt zu gebieten. Wenn das aber einmalige Fälle sind, von der Stimmung her oder einfach so zum Charakter passen, sollte man das tolerieren. Gutes Spiel sollte nicht durch Konsequenzdenken versaut werden. Denn sind wir mal ehrlich: Die Helden, an die wir uns erinnern, gehen auch immer wieder Risiken ein, die man eigentlich nur als „dumm“ bezeichnen kann. Trotzdem gehen sie immer wieder lebend aus diesen Situationen hervor. Genau deswegen nennen wir sie ja Helden. Gleichzeitig wissen wir aber auch alle, dass es diese Helden irgend wann einmal erwischt. Und genau das macht sie menschlich. Der Held ist der Wunsch in uns allen, Freiheit kennen zu lernen, die eigenen Ängste zu überwinden und Taten zu vollbringen, an die man sich erinnert.
Am Ende will ich Tolkien zitieren, der sich zum Thema Drachentöter folgendermaßen äußerte:
„Elben können Drachen töten, doch kann sie schon alleine der Gestank eines Drachen in die Flucht schlagen. Zwerge haben Methoden entwickelt, Drachen in Gruppen anzugreifen. Doch die wirkliche Drachentöter-Mentalität haben die Menschen. Ihr Leben ist kurz und sie sehnen sich nach dem Ruhm, der sie ewig leben lässt.“


daz dû behaltest mêre
die jungisten lêre
die dir dîn vater taete.
wis getriuwe, wis staete
wis milte, wis diemüete
wis vrävele mit güete
wis dîner zuht wol behuot
den herren stare den armen guot.



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